
Zeichnung von 1600 | Quelle: Stadtarchiv Darmstadt
Zeitreise
13. — 15. Jh | 15. — 16. Jh | 17. — 18. Jh |
19. Jh | Beginn 20. Jh | 1980er Jahre | 2016 | 2019 | Pläne
Der Freihof
Der Freihof war vermutlich in seiner ursprünglichen Form eine mittelalterliche Niederungsburg (»Festes Haus«). Er lag direkt am Untertor, das den Ort nach Norden absicherte. Sein Name leitet sich von der Tatsache ab, dass die Besitzer frei von jeder Bede (Abgabe) waren.
Im Mittelalter war der Freihof von Klein-Umstadt ein großes Klostergut, das von ansässigem Adel verwaltet wurde. Später folgten häufige Eigentümerwechsel und teilweise ungeklärte Besitzverhältnisse. Es wurde aufgeteilt, umgenutzt, verkauft, abgerissen, umgebaut oder auch angebaut. In der ursprünglichen Anmutung ist inzwischen nur noch »unser« Junkerhaus übrig, aber auch hier ist viel von der ursprünglichen Bausubstanz verloren gegangen. Heute ist das Gebäude ein Einzelkulturdenkmal und die gegenüberliegende Scheune und ein benachbartes Wohnhaus steht unter Ensembleschutz.
Es ranken sich viele Geschichten um den Freihof und seine Bewohner. Wir tragen hier einige Puzzleteile zusammen, um einen Eindruck von seiner bewegten Geschichte zu erhalten.
13 Jh. — 15. Jh.
Klostergut
— zugehörig zum Augustinerinnen-Kloster Höchst
— Pachtgut für ansässige Adlige z.B. erst Schelle von Umstadt, dann von 1379 – 1485 Mayloch von Haumaden
»Er gehörte einst zum Kloster Höchst, und in dem Hofhaus hielten sich stets einige Nonnen auf, die in der Kapelle den Gottesdienst versahen, zugleich aber auch die dem Kloster zustehenden Abgaben einnahmen.
»Heimatbuch der Gemeinde Klein-Umstadt« von Jakob Müller, 1956
15. — 16. Jh
Lehenshof
— 1492 | Pfalzgraf Philipp belehnt Wilhelm V. Waise von Fauerbach, vermutlich Umgestaltung des Junkerhauses, Westwand mit Wappenstein (jetzt an Pfarrhaus), Relief eines Dudelsackspielers (vermutlich St. Wendelin) und Sandsteinsturz von 1519
— 1516 | Erneuerung der Belehnung durch Landgraf Philipp, jetzt aber als Landgraf von Hessen
— Waise von Fauerbach besaßen den Hof bis 1592, danach bis in den 30jährigen Krieg Pächter Familie (Heinrich) Klemm

Türsturz | Jahreszahl 1519 und Wappen der Waise von Fauerbach (links) und Schelle von Umstadt (rechts)

Relief St. Wendelin | Betonabguss, Original in der Wehrkirche
»Von den früheren Gebäulichkeiten blieb allein die Kapelle mit dem schönen Kreuzgewölbe übrig, welche er (Wilhelm V. Waise von Fauerbach) später zu einer Küche umwandelte mit einem Schornstein, der, wie der Chronist sagt, der umfangreichste im Lande war. An ihm waren so kollosale Querhölzer angebracht, daß man an jeden bequem ein Paar Ochsen hätte aufhängen können… Es lohnt sich wohl, einen Blick in das alte Haus zu werfen. Von der jetzigen fensterlosen Küche führt eine schöne gotische Holztür zu einem Vorratsraum und Keller. Da ist auch ein Türchen in der Wand; wahrscheinlich wurden von hier aus die Speisen in den Eßsaal hinüber gegeben. Ein paar Stufen führen hinab zu einem tieferen Gewölbe.
Die Nachfolger des Weiß v. Fauerbach lebten, wie es damals Sitte war, in Saus und Braus. Sie feierten glänzende Fest, zu denen die guten Untertanen alles liefern mußten. Es war für Klain-umsatdt nicht immer leicht, mit den Junkern auszukommen.«
»Heimatbuch der Gemeinde Klein-Umstadt« von Jakob Müller, 1956
17. — 18. Jh.
Zersplitterung und Verfall
— ab 1650 gehört der Freihof dem Oberstück-Leutnant Abraham Dörr (1625 – nach 1697)
— Johann Christian Dörr (1676 – 1742) übernimmt ca. 1697 den Freihof, Anbau der späteren Luth. Schule (ab 1816)
— Philipp Friedrich Dörr (1730/31 – 1788) verkauft seinen Anteil am Freihof (zwei Wohnbehausungen, zwei Scheunen, ein Köller, Backhaus, Stallungen sowie zwei Gärten) um 1750 an Schwager Johann Conrad Schenkel
— Zersplitterung des Freihofs beginnt
— 1799 bewohnt ein Fürstlicher Wildbereiter den hinteren Teil des Freihofs, Georg Adam Ahles bewohnt das Junkerhaus, er nutzt den unteren Teil des benachbarten Hauses als Küche und ein angegliedertes Gewölbe als Keller, geteilt werden Brunnen und Hofplatz
— die Gebäude waren so heruntergekommen, dass man an einen Neubau des Freihofs dachte, was jedoch aus Geldmangel unterblieb

Grundriss von 1799 | Quelle: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
19 Jh.
Umbau des Junkerhauses
— 1859 | Philipp Ahles II. plant einen größeren Um- bzw. Neubau, dieser wurde allerdings nicht so ausgeführt wie in den Bauplänen (z.B. Dach) vorgesehen, dies hängt eventuell mit dem Großbrand von August 1859 zusammen, gegenüber lässt Philipp Ahles eine Scheune bauen
— 1861 | Neugestaltung des „Wohnzimmers“: Vertäfelung, blaue Farbfassung der Wände mit floraler Schablonenmalerei bzw. Walzendruck




Inschrift »Philipp Ales« und Jahreszahl 61 an der gegenüberliegenden Scheune

Rückseite der Vertäfelung im Wohnzimmer | Johannes Reinhart von Höchst 1861
Beginn 20. Jh.
Wohnhaus
— das Junkerhaus gehört Familie Blitz — Philipp Blitz (1853–1929), Georg Blitz (1914–1943)
— das Haus wurde von zwei Parteien bewohnt, 1942 Geburt im Obergeschoss des Hauses
— bis ca. 1980 bestanden die beengten Wohnverhältnisse ohne Sanitäranlagen im Haus, sondern Außentoilette im gegenüberliegenden Schweinestall

Das Junkerhaus um 1900 | Quelle: Klein-Umstadt, Unser Dorf in Bildern vergangener Tage

Das Junkerhaus geschätzt 1920/30 | Quelle: unbekannt
1980er Jahre
Renovierung
— von 1978 – 1981 wurde das Haus umfassend renoviert und erneuert: Dach mit Betondachsteinen (Frankfurter Pfanne), Drahtglas-Haustür, Fenster mit Rollladen, Strom- und Wasserinstallation
— »moderne« Materialien wie Rigips mit Styroporkaschierung und Nut-Feder-Deckenverkleidung halten Einzug
— geheizt wurde im EG mit einem Einzelofen in der Küche und einem Nachtspeicherofen im Wohnzimmer, im OG mit Elektroradiatoren
— später Nutzung nur noch als „Ferienhaus“, dann Leerstand

Das Junkerhaus geschätzt 1980


Der Freihof in der Denkmaltopografie, Seite 267 | Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg / »Enders, Siegfried R. C. T.; Landesamt für Denkmalpflege Hessen [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Hessen: Landkreis Darmstadt-Dieburg — Braunschweig, Wiesbaden: Friedr. Vieweg & Sohn, 1988«
ab 2016
Leerstand und Eigentümerwechsel
— 3 x Eigentümerwechsel: dabei wurde ein dazugehöriger Garten und Kellerraum abgetrennt, gegenüberliegender Schweinestall wurde 2018 abgerissen und die Fläche abgetrennt

Das leer stehende Junkerhaus im Jahr 2019
ab 2019
Sanierung
— im Oktober 2019 kauften wir das leerstehende Junkerhaus
— Sanierung mit ökologischen Materialien unter der Maßgabe das Haus für zeitgemäßes Wohnen zu ertüchtigen und sofern noch vorhanden und möglich die alte Bausubstanz zu erhalten
— Dämmung mit Schilfmatten, Lehm-Unterputz mit Dämmeigenschaften, Lehmfeinputz und Kalkfarbe
— Ausstausch von schadhaften Teilen der Fachwerkkonstruktion, Erhalten der Holzbalkendecken und Dielenböden
— »Zeitfenster« mit historischen Bezügen

Das Junkerhaus 2024 | Sanierungsarbeiten gehen weiter
Der Freihof im Wandel der Zeit





